Baby B
2018Installation
HD -Video, 16:9, Color, Stereo
Textiles
Mit Baby B zeigt Franca Scholz eine feinsinnige Videoinstallation, die das Leverkusener Bayer-Werk als landschaftliche Ikone der Pharmaindustrie beleuchtet und auf ein präsentes Phänomen unserer Zeit aufmerksam macht: die direkte und indirekte Einflussnahme von Medikamenten auf die kulturelle Entwicklung der Menschheit.Scholz' Interesse gilt stets der Frage, inwiefern menschliche Körper agierende Resultate äußerer Interventionen sind. Hierbei steht das (negative und/oder positive) symbiotische Verhältnis von emotionalen zwischenmenschlichen Beziehungen, den daraus resultierenden psychischen Zuständen und chemisch hergestellten Medikamenten als kommerzielle Produkte im Fokus.Mit Baby B beleuchtet Scholz diese beunruhigende Wechselwirkung mit einer janusköpfigen Leichtigkeit. Denn obwohl der menschliche Körper gar nicht in Erscheinung tritt, ist der Betrachter Zeuge einer leiblichen Aneignung: Scholz versucht sich dem 'magischen' Ort der chemischen Produktion und seinen Geheimnissen zu nähern, sie dokumentiert und umkreist das Areal unablässig mit diversen Mitteln. Liebevoll „Baby B“ genannt, ist Bayer Scholz' Sehnsuchtsort, den sie mit Bildmaterial von nächtlichen Drohnenflügen, Bahnfahrten der 'Bayer-Strecke', Spaziergängen durch den Neulandpark und der Recherche des öffentlichen Bayer-Bildarchivs dokumentarisch zu einem stillen Landschaftsidyll collagiert.Ganz im Sinne des Bipolaren, bricht Scholz das Schwelgerische des Ortes mit dem Einschub einer zweiten, sprachlichen Bedeutungsebene, die ein emotionales zwischenmenschliches Gefühl – vor allem die Liebe – als Ursache folgenreicher Handlungen integriert und verortet.Überlagernde Textauszüge und Zitate, die in einer Installation auf weißem Baumwollstoff (mit der Konnotation Kittel, Laken und Krankenhaus) projiziert einblenden, involvieren subjektive, objektive, narrative aber auch wissenschaftliche Perspektiven, die sich unter anderem mit der Frage beschäftigen, inwieweit man eigentlich medizinisch 'verrückt' und behandlungsbedürftig ist, wenn man aus Liebe zu einer anderen Person auf bestimmte Weise handelt. Reale und fiktive Aussagen, – wie zum Beispiel von einer Frau, die für ihren bei Bayer arbeitenden Mann in eine Bayer-Siedlung zieht und Krankheiten als mögliche Folge des von medizinischen Abfällen verseuchten Bodens in Kauf nimmt – setzt Scholz fragmentiert zu einer poetischen Metapher zusammen und inszeniert die Intention an dem Ort, an dem sie letztlich stigmatisiert wird. Die Zuschreibung "fool" erfährt in zahlreichen Zitaten besondere Aufmerksamkeit – Scholz deutet die negative, klischeehafte Konnotation der Selbstaufgabe um und beleuchtet das Mutige und Heldenhafte der aus Liebe handelnden Person.Vor dem Hintergrund des Bayer-Werks ist Baby B eine doppeldeutige Hommage an das Legitime des Gefühls, das es vor der fragwürdigen Selbstverständlichkeit von industriell hergestellten Produkten als Reaktion für psychische Zustände zu beschützen gilt.
Text von Inci Yilmaz